Wann fällt der Widder ?
Erschienen in DWJ 9-2000
Das Schießen auf Metallsilhouetten hat in Deutschland, auch wenn es noch keinen ständig dafür eingerichteten Schießstand gibt, inzwischen seinen festen Platz. Eine sich stetig erweiternde Gemeinde von Silhouettenschützen im BDS und im BDMP trifft sich regelmäßig zu Wettkämpfen im In- und Ausland. Das Leistungsniveau der deutschen Schützen findet international Beachtung und so veranstaltete der BDS auf dem Truppenübungsplatz Baumholder vom 28. 6. bis zum 9. 7. 1999 die 11. Europameisterschaften verbunden mit den Deutschen Meisterschaften.
Die technische Entwicklung bleibt jedoch auch in dieser Sportart nicht stehen. So, wie sich für die Metallsilhouetten inzwischen hochharte Verschleißstähle allgemein durchgesetzt haben und die Regeln zum Aufstellen der Metallsilhouetten präzisiert wurden, geht der Trend bei den Kalibern weg von den ganz „dicken Brummern“ zu kleineren Kalibern höherer Effizienz. Die Beobachtung und Auswertung dieser Trends und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen waren der Anlass für den folgenden Bericht.
von Johannes
Fante
Grundüberlegungen zur Präzision
Beim Silhouettenschießen ist es das Ziel eines jede Schützen, 40 Ziele, die in „Bänken“ (Reihen) à 10 aufgestellt sind, mit ebenso vielen Schüssen der Reihe nach von der definierten Aufstellfläche zu stoßen. Nur das zählt! In den Großkaliber- Kategorien, die mit Faustfeuerwaffen zu schießen sind, stehen die Ziele (Huhn, Wildschwein, Truthahn, Widder) auf Entfernungen von 50, 100, 150 und 200 Metern. Das Treffen der Ziele hat damit eine gewisse Priorität.
Um die notwendige Präzision zu bestimmen, ist nur die 200 m -Entfernung von Interesse. Dort steht der Widder mit einer Körperhöhe im Masseschwerpunkt von 31 cm. Um ihn mit jedem Schuss ohne Ziel- oder Abkommenfehler zu treffen, muss die Schütze- Waffe- Munition- Kombination in der Lage sein, mit 10 Schuss auf 25 Meter Entfernung einen Streukreis von weniger als 4 cm zu produzieren, denn im Wettkampf werden 10 Widder nacheinander mit je einem Schuss belegt. Soviel für den Anfang.
Fast
alle Wettkämpfe werden auf den vorderen Plätzen jedoch im „shoot off“, dem Stechen
entschieden, weil die besten Schützen alle 40 Ziele treffen. Die Ziele für das
„shoot off“ sind immer kleiner als die Originalziele, stehen aber auf 200 m
oder auf Zwischenentfernungen von 150 m bis 200 m. Ein 200 m - Ziel ist dann
nur noch ca. 14 cm (Huhn) hoch, wenn nicht noch kleinere Metallsilhouetten (Feldpistole-Silhouetten
halber Größe) verwendet werden. Dann beträgt der auf 25 m linear heruntergerechnete
10-Schuß Mindeststreukreis plötzlich nur noch 1,75 cm - rein theoretisch und
in erster Näherung, denn die rauhe Wirklichkeit ist noch härter; da öffnet sich
der Streukegel nicht linear, sondern trompetenförmig!
Kaliber-Trend
Dass die Suche nach dem optimalen Kaliber mit der notwendigen Präzision und gleichzeitig hinreichender Wirkung bei derartigen Anforderungen ein ständiger Prozess ist, dürfte nach dieser kurzen Betrachtung nicht verwundern. Von Interesse sind hier aber nur die Großkaliber - Kategorien für Revolver und Pistolen. In den Kleinkaliber-Kategorien ist das Kaliber .22 l. r. gesetzt und die Feldpistole verlangt Präzision vor Wirksamkeit; letztere ist nämlich durch die Kaliberbestimmungen nicht allzu schwer zu erzielen.
In den Anfängen des Silhouettenschießens dominierten Kaliber wie .41 Magnum, .44 Magnum, .44 AMP und .357 AMP und auch schon .357 Magnum die Szene. Zu dieser Zeit wurden die Widder noch „full foot“ gesetzt, d. h. die Hinterkante des Fußes schloss mit der Hinterkante des „rail“, der Aufstellfläche ab. Da diese Kaliber auf den Widder nicht in allen Fällen zuverlässig wirkten, auch wenn sie korrekt gesetzt waren und um gefährliche Entwicklungen in Bezug auf den Gasdruck der verwendeten wiedergeladenen Patronen zu verhindern, führte die International Handgun Metallic Silhouette Association (IHMSA) bereits im Jahre 1977 die so genannte „Überhangregel“ [1] - Einzelheiten weiter unten - für den Widder ein. Sie bewirkt, dass ein wesentlich geringerer Geschossimpuls erforderlich ist, um ihn sicher umzuwerfen. Diese Regel ist mittlerweile von allen Verbänden weltweit und unverändert übernommen worden.
Während es im Revolverbereich zunächst bei den erwähnten Kalibern blieb, tauchten für die einschüssigen Pistolen rasch die 30er und die 7 mm-Kaliber auf - 7 TCU, 7 IHMSA Int, 7 - R, 7 - 08, 7 x 57 imp, 7 - 30 Waters, 7 BR, .30 Herret, 30 - 30 Win und schließlich die 7 GJW, um nur einige der populärsten zu nennen. Aber auch die Revolverkaliber legten zu. Der vorläufige Höhepunkt war hier mit der .357 Super Mag - auch .357 Maximum genannt - , einer um .320 Inch verlängerten .357 Magnum und der .445 Super Mag erreicht. All diesen Kalibern ist eines gemeinsam: hinreichende Wirkung (bei 7 TCU mit Abstrichen). Auch die Grundpräzision ist ausreichend, die richtige Waffe vorausgesetzt.
Die Kaliberentwicklung begann sich schon Anfang der 80er Jahre zu stabilisieren, eher hin zu moderaten Kalibern. Heute ist bei den Revolvern das Kaliber .357 Magnum der Favorit auf den vorderen Plätzen. Die 7 mm - Kaliber dominieren noch die einschüssigen Pistolen (Kipplaufverschluss, Zylinderverschluss, Blockverschluss); der Trend zu den 6,5 mm - und sogar den 6 mm - Kalibern (6,5 und 6 mm BR, .260 Picra) ist jedoch deutlich erkennbar, dies zeigt die Auswertung der 11. Europameisterschaften aus dem Jahr 1999.[2]
Von 54 Startern in der Disziplin Big Bore Revolver schossen 24 Schützen einen .357 Magnum- Revolver und 23 Schützen einen solchen im Kaliber .44 Magnum. Die Kaliber .41 Magnum (1), .357 Maximum (2) und .454 Casull (4) spielten eine nachgeordnete Rolle. Bemerkenswert ist daran, dass auf den vorderen 20 Plätzen das Kaliber .357 Magnum 14 Mal vertreten war und das Kaliber .454 Casull überhaupt nicht.
Ähnlich verhält es sich in der Disziplin Big Bore Unlimited. Bei insgesamt 69 Startern war die Gruppe der 7er und .30er - Kaliber (7 BR, 7 x 49 GJW, .30 BR, 7 x 57 Imp, 7 IHMSA, 30 x39, 30 - 30 Win, .308 Win ) 33 Mal vertreten. Die 6,5 mm - und die 6 mm - Kaliber (6,5 BR, 6 BR, 6 PPC, 6,5 x 39, .260 Picra) hatten aber bereits einen Anteil von 17 Startern. 8 Starter auf den vorderen 20 Plätzen nutzten ein Kaliber dieser Gruppe, 10 Starter ein 7 mm - Kaliber und 2 Starter ein Kaliber aus der .30er Gruppe. Der Rest von 19 Startern teilte sich überwiegend die 30er Kaliber in ihrer gesamten Bandbreite. Einige wenige Schützen vertrauten auf Waffen im Kaliber .44 Mag, .357 Mag und .375 Win, waren jedoch „vorn nicht dabei“.
In der Disziplin Big Bore Production sind die 6er Kaliber gleichermaßen auf dem Vormarsch. Von insgesamt 70 Startern schossen 20 eine Waffe dieser Kalibergruppe, auf den ersten 20 Plätzen allein 10. Die 7er Kaliber bildeten mit 29 Starts die stärkste Gruppe und sie waren unter den ersten 20 Plätzen auch mit 7 Starts vertreten. Die 30er Gruppe, insgesamt von 12 Schützen eingesetzt, war mit .30 BR (1x - Europameister!) und .300 Whisper (2x) zwar unter den 20 Erstplazierten, spielte aber mit insgesamt 12 Starts keine große Rolle mehr. Die übrigen (Revolver-) Kaliber (.357 Mag, .357 Max, .41 Mag, .44 Mag) verteilten sich auf 9 Starts; sie waren in der Siegerliste erst ab Platz 38 abwärts zu finden.
Der
Trend ist also eindeutig. Er resultiert sicher nicht allein aus der Tatsache,
dass der für des Umwerfen des Widders erforderliche Geschoßimpuls durch die
Überhangregel überschaubar geworden ist. Sicher sind Überlegungen zur Präzision,
zur Flugbahn, und zur Seitenwindempfindlichkeit auch Auslöser dieser Entwicklung.
Von einigem Interesse ist nun die Frage, ob der Impuls im (besser am) Ziel der
vergleichsweise „kleinen“ Kaliber für einen s i c h e r e n Erfolg ausreichend
ist.
Der Widder
Dazu seien dem Widder zunächst einige Zeilen gewidmet. Genaue Abmessungen und die Art der Aufstellung hat die IHMSA [3] festgelegt; alle anderen Verbände [4] sind dem weitgehend gefolgt. Als Material für den Widder ist hochharter Stahl (in den USA mit „T 1“ bezeichnet) empfohlen und für Meisterschaften verbindlich vorgeschrieben. Für das Huhn (50 m) ist zur Vermeidung von Rückprallern dieser Stahl stets zu verwenden.
Die Schießstand-Richtlinien[5], herausgegeben vom Deutschen Schützenbund, sehen allerdings für alle Ziele flüssigkeitsgehärtete Verschleißstähle, deren Zugfestigkeit über 1200 N/mm2 und deren mittlere Härte über 300 HB liegt, vor. Derartige Stähle liefern alle großen Stahlhersteller in Form von Blechen unterschiedlicher Dimensionen. Industrielle Anwendungsgebiete dieser Stähle sind die hochbeanspruchten Teile von Lademaschinen, Baggern, Muldenkippern, Förderanlagen, Schneiden und Brechern.
Die IHMSA hat seit Jahren eine Dicke von 3/8“ „or the nearest metric equivalent“ in ihren Regeln verankert. Daraus ist in der übrigen Welt 3/8“(= 9,525mm) oder 10 mm geworden. Der Dickeunterschied von 0,475 mm ist scheinbar gering, macht aber eine Massedifferenz von ca. 1,2 kg aus, immerhin ca. 4,8% einer Gesamtmasse von 25 kg bei einem 10 mm-Widder mit angeschweißten Füßen. Allerdings liegen derartige Abweichungen auch im Rahmen der Toleranzen, die sich beim Ausschneiden der Figurenkontur ergeben. Manche Veranstalter sind da nicht pingelig, was in der Praxis aber nie zu Problemen führt, da alle Schützen auf die selben Ziele schießen und so im Wettkampf die Voraussetzungen für alle gleich sind.
Eine zweite Möglichkeit, den Widder regelgerecht aufzustellen besteht darin, die Hinterkante der Füße um 22 mm (bei 10 mm- Widdern) oder 19 mm (bei 3/8“-Widdern) zu kürzen. Dann darf der Widder „vollfüßig“, also mit der Hinterkante der Aufstellfläche abschließend stehen.
Wenn
man die Gestalt des Widders näher betrachtet, wird man schnell feststellen,
dass die Masse ungleich auf die beiden Füße verteilt ist. Der Masseschwerpunkt
liegt, gemessen von einer Senkrechten durch den „Vorderlauf“ 100 mm hinter diesem
und 300 mm über der Unterkante der Füße. Es ergibt sich daraus eine Verteilung
der Gewichtskraft von ca. 3 : 1 auf Vorder- und Hinterfuß, was Wägungen mit
einem regelkonformen Exemplar bestätigten. Diese ungleiche Verteilung ist nicht
ganz folgenlos in Bezug auf den Trefferort.
Was wirft den Widder um?
Der Impuls, welchen das Geschoss an das Ziel überträgt wirft den Widder um; darüber gibt es keinen Zweifel! Physikalisch ist der Impuls (engl.: momentum) als Produkt aus Masse und Geschwindigkeit eines Körpers definiert, in unserem Fall also der Geschossgeschwindigkeit im Ziel multipliziert mit der Geschossmasse.
In dem in Deutschland vorgeschriebenen SI System hat der Impuls die Einheit Newton x Meter, kurz „Nm“, in den USA und überall dort, wo mit „grains oder pounds“ und „feet per second“ gerechnet wird, ist die Einheit pounds x feet per second oder kurz „lbfps“.
Den Vorgang des Umstoßens selbst kann man, da bei Verwendung hochharter Stähle für das Ziel Geschossmaterial weder in das Ziel eindringt, noch sonst wie von der Zieloberfläche aufgenommen wird, als elastischen Stoß betrachten. Dass die tatsächlichen Verhältnisse - es handelt sich genaugenommen um einen teilelastischen Stoß - etwas komplexer sind, soll hier nicht weiter vertieft werden.
Die Berechnung konkreter Werte für eine gegebene Laborierung folgt folgender Formel:
Impuls = vZ x mP / 1000
Mit vZ als Geschossgeschwindigkeit am Ziel, eingesetzt in m/s, und mP als Geschossmasse in Gramm ergibt sich der Impuls in Nm.
Um den Impuls in lbfps zu erhalten, setzt man die Geschossmasse in grains und die Geschossgeschwindigkeit in m/s ein; dann multipliziert man das Ergebnis mit dem Faktor 0,0000146 anstatt durch 1000 zu dividieren.
z. B. : Geschoßmasse = 10,24 g bzw. 158 grains und vZ = 302 m/s bzw. 1492 fps
10,24 x 302 / 1000 = 3,09 Nm
oder
158 x 302 x 0,0000146 = 0,697 lbfps
Nun
ist es mit gewissem Aufwand verbunden, die Geschossgeschwindigkeit am Ziel zu
messen. Das ist auch nicht notwendig. Die v0 - Messung ist in Wiedladerkreisen
und auch sonst unter Sportschützen weit verbreitet und unter Nutzung eines der
vielen am Markt befindlichen Ballistik-Programme läßt sich der Geschwindigkeitsverlust
auf 200 m Entfernung mit hinreichender Genauigkeit berechnen. Den BC (ballistic
coefficient) des Geschosses liefern Geschosshersteller heute bereits mit und
ansonsten ist er bei gebräuchlichen Geschossen oft schon im Ballistik-Programm
enthalten. Man muß ihn nur noch „anklicken“. Genau so gut hilft jedoch das Außenballistik-Kapitel
des Sierra Wiederladehandbuchs [6]
weiter. Dort sind die Geschwindigkeitsverluste aller Sierra-Geschosse schrittweise
bis auf die Entfernung von 250 Metern aufgelistet. Auf ähnliche Geschosse anderer
Hersteller sind die Werte weitgehend übertragbar.
Wieviel Impuls?
Die Frage, wie groß der Impuls nun wirklich sein muss, um mit der für einen Wettkampf erforderlichen Zuverlässigkeit einen regelgerecht aufgestellten Widder bei einem Treffer auf der Figur umzuwerfen, hat schon viele Antworten gefunden. Elgin Gates, einer der Väter des Silhouettenschießens, hat in seinem Buch über das Metallsilhouettenschießen selbst mehrere Feststellungen getroffen [7]. Einerseits meint er, dass ein Impuls von 0,6 lbfps für eine Unlimited Pistole letztlich ausreicht, andererseits empfiehlt er eine Seite später [8] für die gleiche Waffenart ein 140 Grein-Gehschoß mit „akzeptablem“ Ballistic Coefficient (BC) und einer v0 von ca. 1900 fps, was einem Impuls am Ziel von 0,98 lbfps entspräche. David Bradshaw empfiehlt für die 7 mm-Kaliber eine v0 von 2000 fps und Geschossmassen von 160 bis 175 grains sowie für die .30er Kaliber eine v0 von 1900 fps und Geschossmassen von 168 bis 190 grains - wahrlich eine große Spannweite, die der näheren Betrachtung bedarf.[9] Eine Remington XP-100 mit 15“-Lauf im Kaliber 6 mm BR verleiht, optimal geladen, einem 100 grain-SPT- Geschoss eine v0 von 2400 fps was einer v200 von 2077 fps bzw. 663 m/s entspricht und fällt den Widder ebenfalls, wie neuerdings immer wieder demonstriert wird. In Schützenkreisen gehen die Vorstellungen ebenso auseinander, wie in der Literatur.
Welche Verhältnisse herrschen nun genau? Dieser Frage nachzugehen, diente eine Versuchsreihe, innerhalb derer ein regelkonformer Original-Widder, wie er anlässlich der 11. Europameisterschaften genutzt und vom internationalen Schiedsgericht abgenommen wurde, auf reduzierte Entfernung an 20 definierten Trefferorten mit zahlreichen Schüssen unterschiedlicher Impulsstärken belegt wurde. Der Widder, 10 mm dick, war waagerecht und lotrecht auf zwei an der Oberfläche geschliffenen Stahlplatten nach den internationalen Regeln aufgestellt. Anschläge sicherten eine stets gleiche Postition.
Um von der Witterung unabhängig zu sein und reproduzierbare Bedingungen zu schaffen, war der Stand gedeckt. Die verkürzte Entfernung und auf einer Bench Rest- Auflage abgestützte Waffen stellten sicher, dass alle Treffer auch auf den vorher definierten Trefferorten lagen. Laborierungen unterschiedlichen Kalibers, verschiedene Geschossmassen und -geschwindigkeiten und der Einsatz von Waffen unterschiedlicher Lauflänge stellte sicher, dass die gesamte Bandbreite der gewünschten Impulsstärken zur Wirkung auf das Ziel kam.
Sofern die Geschossgeschwindigkeit am Ziel bekannt ist und nur diese zur Bewertung herangezogen wird, spielt für diese Art der Untersuchung die tatsächliche Entfernung keine Rolle, da man Aspekte der Geschosspendelung bei reinen Impulsmessungen getrost vernachlässigen kann. Auch die Geschosskonstruktion (Vollmantel-, Teilmantel- oder Hartbleigeschoss) hat auf das Ergebnis kaum Einfluss, wie auch schon Elgin Gates feststellte [10].
Der Ort des Treffers auf der Figur ist von erheblichem Einfluss auf den notwendigen Mindestimpuls (siehe Grafik). Während Kopftreffer und Treffer entlang der Rückenlinie den Widder schon bei einem Impuls von ca. 0,6 lbfps fällen, ist im Masseschwerpunkt ein Impuls von mindestens 0,8 lbfps erforderlich. Ein derartiger Impuls wirft den Widder aber auch an jedem Trefferort um. Ein Treffer tief am „Vorderlauf“ fällt den Widder eher, als ein Treffer tief am „Hinterlauf“. Über dem „Hinterlauf“, in Höhe des Masseschwerpunkts ist der Widder ebenfalls „weich“. Hier herrschen Verhältnisse, wie sie entlang der Rückenlinie anzutreffen sind.
Interessant ist dabei folgende Beobachtung, die eine Videokamera am Ziel ermöglichte: Während unwirksame Treffer mit zu geringem Impuls das Ziel auf den Aufstellplatten so weit nach hinten verschoben, dass es den Kipp-Punkt gerade nicht mehr erreichte - bei Treffern im Schwerpunkt übrigens millimetergenau parallel - fiel der Widder bei wirksamen Treffern um, ohne dass vorher ein Verschieben auf der Aufstellfläche zu beobachten war.
Vollfüßig
aufgestellte Widder, d. h. nicht regelgerecht aufgestellte Widder erfordern
naturgemäß einen wesentlich stärkeren Impuls im Masseschwerpunkt. Hier sind
Werte von 1,1 lbfps (= 4,86 Nm) das absolute
Minimum. Desgleichen steigt der Wert des notwendigen Impulses, um einen regelrecht
aufgestellten, jedoch auf seiner Standfläche leicht nach vorn geneigten Widder
zu fällen enorm an. Diese leichte Neigung nach vorn, die dem Aufsteller im Gelände
mangels senkrechter Bezugskanten nicht auffällt, kommt in der Praxis immer wieder
vor. Eine Figur mit einer Neigung von nur 2° nach vorn fällt erst, wenn ein
Geschoss mit einem Impuls von 1,1 lbfps (= 4,86 Nm)
auftrifft. Ein leicht nach hinten geneigtes Ziel erleichtert dagegen dem Geschoss
sein Werk.
Schlußfolgerungen
Unter idealen Bedingungen ist ein Impuls von 0,8 lbfps oder 3,5 Nm ausreichend, um einen regelgerecht aufgestellten Widder zu fällen. (Ein derartiger Impuls wird auch von einem 1,5 kg-Hammer auf die Werkbank übertragen, wenn er aus einer Höhe von ca. 28 cm auf diese senkrecht herunterfällt.) Damit ist aber auch klar, dass ein 158 grains-JSP- Geschoss, mit einer v0 von 411 m/s und einer v200 von 289 m/s aus einem Revolver im Kaliber .357 Magnum mit einem 6“-Lauf verschossen, nur unzureichend wirkt, da es lediglich einen Impuls von nur 0,67 Nm = 3,0 lbfps auf das Ziel überträgt. Erst ein 180 grains- FPJ-Match- Geschoss, verschossen mit gleicher v0, erbringt sichere Wirkung. Dies gelingt aber nur aus stabilen Pistolen und Revolvern mit einer Lauflänge von mindestens 10“, wie sie die Spitzenschützen heute einsetzen.
Hier kommen nun die kleineren Kaliber ins Spiel. Ein 100 Grains- Geschoss in 6 BR, mit einer v0 von 732 m/s aus dem 15“-Lauf einer Remington XP-100 verschossen, verliert auf der 200 m langen Flugstrecke lediglich 17 % seiner Geschwindigkeit (ca. 27 % bei einem .357er Geschoss) und schlägt mit 605 m/s auf das Ziel auf. Der Impuls beträgt dabei immerhin 0,88 lbfps - mithin ausreichend für einen Erfolg. Der unbestreitbare Vorteil der kleinen Kaliber liegt neben ihrer hohen Rasanz und der geringen Windempfindlichkeit auch in einer auf diese Entfernung erstaunlichen Grundpräzision. Allerdings knallen die kleinen Kaliber auch ziemlich laut.
Die rauhe Praxis bringt es mit sich, dass nicht jede Silhouette stets absolut regelgerecht und mit gleichbleibender Sorgfalt gesetzt wird. Durch Treffereinwirkung leicht verformte Aufstellflächen, Sand, Schmutz, Farbreste und Feuchtigkeit beeinflussen die Aufstellung ebenso, wie zu geringer „Überhang“ oder eine leichte Neigung nach vorn zum Schützen hin. Etwas Impulsreserve ist daher empfehlenswert. Bei allen Vorteilen der 6er und 6,5er Kaliber weisen diese ein Reservepotential gerade nicht auf. Hier dominieren die moderaten Kaliber der 7er Gruppe - bei hoher Präzision, beherrschbarer Windempfindlichkeit und einer sehr großen Geschosspalette weisen sie die notwendigen Reserven auf.
Wer
also vorwiegend an großen Wettkämpfen auf permanent eingerichteten Schießbahnen
mit perfekt aufgestellten Zielen teilnimmt, wird eher auf die kleineren Kaliber
blicken. Silhouettenschützen, die in diesen Sport einsteigen und auf „Nummer
sicher“ gehen wollen, sind auf jeden Fall mit einer Waffe in einem 7er Kaliber
bestens bedient, denn eines ist gewiß: Es zählt nur der vollständig umgestoßene
Widder.
[1] Gates, Elgin: Metallic Silhouette Shooting, 2nd Edition, Northbrook 1988, S.128. zurück zum Text
[2] Bund Deutscher Sportschützen e. V.: The 11th European Matallic Silhouette Championships 1999, Results, Baumholder 1999 zur.
[5] Deutscher Schützenbund, Hrsg.: Richtlinien für die Errichtung, Abnahme und das Betreiben von Schießständen in der Fassung vom August 1995, 8. geänderte und ergänzte Auflage, Wiesbaden 1995, S. 70. zurück
[6] Sierra Bullets, L. P.: Sierra Handgun Reloading Manual, 3rd Edition, Santa Fe Springs, 1989, S. 415 ff. zurück