Habe etwas spät festgestellt, daß die Termine des
Freedom Arms Shoot in Taufkirchen und des Herbstwettkampfes im französischen
Volmerange-les Mines miteinander kollidieren. Ich bin – zusammen mit Barbara
Wilke und Volker Weigelt - schon länger in Bayern gemeldet. Gerald Heid, Jürgen
Kowalski und Jörg Eisel wollen den Silhouetten-Wettkampf unserer französischen
Freunde besuchen. Es wäre schön, wenn dort noch andere Mitglieder teilnehmen
könnten. Ich habe deswegen ein deutschsprachiges Formular kreiert, das ich hier
anhänge.
Volmerange-les-Mines liegt zwischen Luxembourg und
Thionville. Am einfachsten ist der Ort über die Autobahn erreichbar, die
Luxembourg südlich verläßt. Sobald man in Frankreich ist, fährt man die erste
Ausfahrt runter und folgt den Schildern. Der Eurostand ist bei den Schützen und
Zuschauern überdacht – nur die Silhouetten stehen im Freien. Also ist auch
Regen kein Problem.
Kommendes Wochenende ist in Leopoldsburg
Silhouetten-Schiessen und danach schon Volmerange und Taufkirchen. Eine Woche
darauf folgt das Long Range Shooting für Kurzwaffen in den Niederlanden (siehe
letzter Brief).
Dies in Kürze, denn in Köln findet z.Zt. der
internationale Klavierwettbewerb statt und nun geht es in die letzte
Runde. Ich tippe auf den vergeistigten
Russen Anton Salnikov oder den quirligen Australier Lance Coburn als Sieger. Am
Dienstag ist das Abschlußkonzert in der Philharmonie – da wird man´s wissen.
Von dem runden Drittel Asiaten erreichte keiner die Endausscheidung.
Salnikov faszinierte gestern durch Perfektion und
russische Seele, die zu Tschaikowskys B-moll-Konzert gehört. Sein blonder
Lizt-Haarschnitt unterstrich die furiose Tastenakrobatik; die Mimik und das
Mitsingen erinnerte an Glenn Gould.
Die Sitzposition des Kanadiers nahm dann Lance Coburn
ein, der als erstes den Klavierschemel ganz nach unten drehte. Im Gegensatz zu
Salnikovs Ernst blitzte der Schalk aus ihm. Ich mag zwar Prokofiev nicht besonders
– auch nicht sein 3. Klavierkonzert. Es ist mir zu wenig rhythmisch. Doch der
Australier spielte es schlichtweg phänomenal – immer mit einem Lachen zum
Publikum und riß damit das WDR-Orchester mit. Nach einem furiosen Abschluß, der
sogar ihn ins Schwitzen brachte, sprang er dem Dirigenten Froschauer einfach um
den Hals. Der Saal tobte. Nach der Pause nochmal das B-moll-Konzert, diesmal
mit Ivo Kahánek aus der Tschechei. Auch er technisch brillant, aber im letzten
Satz verspielte er sich völlig und landete an einer falschen Stelle der
Partitur. Der Dirigent ließ das Orchester eine elegante Schleife spielen,
Kahásek fing sich wieder und brachte das
Stück technisch gut zu Ende. Aber hier unterblieben die Bravo-Rufe, die bei
seinen beiden Vorgängern aufgebrandet waren.
Danach schaute ich zu Hause noch die Dokumentation
„Automat Kalashnikov“ im WDR. Ein unvoreingenommener, fairer Film einer Kölner
Produktionsgemeinschaft.
Heute war der letzte Teil des letzten Durchganges.
Inga Kazantseva aus Rußland betrat die Bühne wie eine Primaballerina. So war
denn auch ihr Brahms. Streng und mit weitausholenden Gesten. Sie erinnerte an
Truffaut´s Film „Aimez-vous Brahms?“ Nun – danach liebte ich ihn immer noch
nicht.
Die 21jährige Polin Joanna Marcinkowska spielte dann
das selbe Stück. Was für eine Offenbarung! Die ersten beiden Sätze mit viel
slawischer Melancholie. Immer in Augenkontakt mit dem Orchester. Die Tasten
streichelnd wie eine Katze; bei den schnellen Läufen zeigte sie die Krallen.
Tief geduckt vor den Tasten, ohne Blick auf die Saiten. Dann wieder hervorschnellend mit wippendem
Pferdeschwanz. Nach dem zweiten Satz putzte der Dirigent seine Brille, als
Joanna plötzlich und ungestüm mit dem dritten Satz begann. Froschauer zuckte
überrascht zusammen und sprang auf den galoppierenden Wagen. Sofort war das
Orchester da und der letzte Moll-Satz klang frisch wie ein Dur-Walzer. Viele
Musiker strahlten und am Schluß – den Brahms ohne Klavier schrieb – krallte
Jana sich am Schemel fest und ihre Haare flogen zum Finale. Das Publikum war nicht mehr zu halten
und donnernder Applaus brandete auf.
In der Pause unterhielt sich Lance Coburn, sprudelnd
vor Energie im Foyer und Anton Salnikov stand mit melancholischem Blick und
einer Zigarette im Eingang. Danach spielte der einzig übriggebliebene Deutsche,
Ingmar Schwindt, in weißem Hemd mit Fliege nochmals den selben Brahms – die
Hosen trug er natürlich auch noch. Er spielte brillant und das Orchester hielt
sich auch beim dritten Mal noch wacker. Als Lokalmatador erhielt er donnernden
Applaus, aber ich konnte ihn nicht mehr differenziert beurteilen.
Jetzt spielt im TV Nigel Kennedy einen Czardas, der
etwas anders klingt, als bei Marikka Röck und das kölner Antiqua-Orchester hat
soeben einen Preis für seine Filmmusik zu „Der König tanzt“ erhalten. Sorry,
wegen dieses Ausfluges in die Klassik, aber ich bin schließlich Tonmeister
(VdT).
Zuletzt noch die Meldung, daß Anton Steiner
erwartungsgemäß nicht mehr Chefredakteur beim SWM ist und sich nun
erfreulicheren Sachen zuwenden kann. Seinem Nachfolger Laszlo Tolvaj wünsche
ich alles Gute.
30. September 2001
GJW