RUNDBRIEF 27

 

Habe etwas spät festgestellt, daß die Termine des Freedom Arms Shoot in Taufkirchen und des Herbstwettkampfes im französischen Volmerange-les Mines miteinander kollidieren. Ich bin – zusammen mit Barbara Wilke und Volker Weigelt - schon länger in Bayern gemeldet. Gerald Heid, Jürgen Kowalski und Jörg Eisel wollen den Silhouetten-Wettkampf unserer französischen Freunde besuchen. Es wäre schön, wenn dort noch andere Mitglieder teilnehmen könnten. Ich habe deswegen ein deutschsprachiges Formular kreiert, das ich hier anhänge.

Volmerange-les-Mines liegt zwischen Luxembourg und Thionville. Am einfachsten ist der Ort über die Autobahn erreichbar, die Luxembourg südlich verläßt. Sobald man in Frankreich ist, fährt man die erste Ausfahrt runter und folgt den Schildern. Der Eurostand ist bei den Schützen und Zuschauern überdacht – nur die Silhouetten stehen im Freien. Also ist auch Regen kein Problem.

 Kommendes Wochenende ist in Leopoldsburg Silhouetten-Schiessen und danach schon Volmerange und Taufkirchen. Eine Woche darauf folgt das Long Range Shooting für Kurzwaffen in den Niederlanden (siehe letzter Brief).

 Dies in Kürze, denn in Köln findet z.Zt. der internationale Klavierwettbewerb statt und nun geht es in die letzte Runde.  Ich tippe auf den vergeistigten Russen Anton Salnikov oder den quirligen Australier Lance Coburn als Sieger. Am Dienstag ist das Abschlußkonzert in der Philharmonie – da wird man´s wissen. Von dem runden Drittel Asiaten erreichte keiner die Endausscheidung.

Salnikov faszinierte gestern durch Perfektion und russische Seele, die zu Tschaikowskys B-moll-Konzert gehört. Sein blonder Lizt-Haarschnitt unterstrich die furiose Tastenakrobatik; die Mimik und das Mitsingen erinnerte an Glenn Gould.

Die Sitzposition des Kanadiers nahm dann Lance Coburn ein, der als erstes den Klavierschemel ganz nach unten drehte. Im Gegensatz zu Salnikovs Ernst blitzte der Schalk aus ihm. Ich mag zwar Prokofiev nicht besonders – auch nicht sein 3. Klavierkonzert. Es ist mir zu wenig rhythmisch. Doch der Australier spielte es schlichtweg phänomenal – immer mit einem Lachen zum Publikum und riß damit das WDR-Orchester mit. Nach einem furiosen Abschluß, der sogar ihn ins Schwitzen brachte, sprang er dem Dirigenten Froschauer einfach um den Hals. Der Saal tobte. Nach der Pause nochmal das B-moll-Konzert, diesmal mit Ivo Kahánek aus der Tschechei. Auch er technisch brillant, aber im letzten Satz verspielte er sich völlig und landete an einer falschen Stelle der Partitur. Der Dirigent ließ das Orchester eine elegante Schleife spielen, Kahásek  fing sich wieder und brachte das Stück technisch gut zu Ende. Aber hier unterblieben die Bravo-Rufe, die bei seinen beiden Vorgängern aufgebrandet waren.

Danach schaute ich zu Hause noch die Dokumentation „Automat Kalashnikov“ im WDR. Ein unvoreingenommener, fairer Film einer Kölner Produktionsgemeinschaft.

Heute war der letzte Teil des letzten Durchganges. Inga Kazantseva aus Rußland betrat die Bühne wie eine Primaballerina. So war denn auch ihr Brahms. Streng und mit weitausholenden Gesten. Sie erinnerte an Truffaut´s Film „Aimez-vous Brahms?“ Nun – danach liebte ich ihn immer noch nicht.

Die 21jährige Polin Joanna Marcinkowska spielte dann das selbe Stück. Was für eine Offenbarung! Die ersten beiden Sätze mit viel slawischer Melancholie. Immer in Augenkontakt mit dem Orchester. Die Tasten streichelnd wie eine Katze; bei den schnellen Läufen zeigte sie die Krallen. Tief geduckt vor den Tasten, ohne Blick auf die Saiten.  Dann wieder hervorschnellend mit wippendem Pferdeschwanz. Nach dem zweiten Satz putzte der Dirigent seine Brille, als Joanna plötzlich und ungestüm mit dem dritten Satz begann. Froschauer zuckte überrascht zusammen und sprang auf den galoppierenden Wagen. Sofort war das Orchester da und der letzte Moll-Satz klang frisch wie ein Dur-Walzer. Viele Musiker strahlten und am Schluß – den Brahms ohne Klavier schrieb – krallte Jana sich am Schemel fest und ihre Haare flogen zum  Finale. Das Publikum war nicht mehr zu halten und donnernder Applaus brandete auf.

In der Pause unterhielt sich Lance Coburn, sprudelnd vor Energie im Foyer und Anton Salnikov stand mit melancholischem Blick und einer Zigarette im Eingang. Danach spielte der einzig übriggebliebene Deutsche, Ingmar Schwindt, in weißem Hemd mit Fliege nochmals den selben Brahms – die Hosen trug er natürlich auch noch. Er spielte brillant und das Orchester hielt sich auch beim dritten Mal noch wacker. Als Lokalmatador erhielt er donnernden Applaus, aber ich konnte ihn nicht mehr differenziert beurteilen.

Jetzt spielt im TV Nigel Kennedy einen Czardas, der etwas anders klingt, als bei Marikka Röck und das kölner Antiqua-Orchester hat soeben einen Preis für seine Filmmusik zu „Der König tanzt“ erhalten. Sorry, wegen dieses Ausfluges in die Klassik, aber ich bin schließlich Tonmeister (VdT).

Zuletzt noch die Meldung, daß Anton Steiner erwartungsgemäß nicht mehr Chefredakteur beim SWM ist und sich nun erfreulicheren Sachen zuwenden kann. Seinem Nachfolger Laszlo Tolvaj wünsche ich alles Gute.

 30. September 2001 GJW