Randbemerkung
Vorgestern wurde im TV ein Gerichtsfall vor Publikum nachgestellt. Der Täter war Tankstellenpächter und schon mehrmals überfallen worden. An dem fraglichen Abend wurde er mit einem Messer bedroht und ausgeraubt. Eine Stunde danach bemerkte er Verdächtiges und trat mit einer Pistole vor das Gebäude. Da trat der selbe Täter wie vor einer Stunde auf ihn zu mit einer Pistole in der Hand und meinte: "Dich mach ich fertig!" Der Tankwart wich nach rückwärts aus und schoss warnend in die Luft. Als der Täter weiter auf ihn eindrang und ca. 2 m von ihm entfernt war, schoss der Bedrohte hektisch 3 Schüsse in Richtung des Angreifers, der zu Boden stürzte und seine Pistole fallen liess. Der Tankwart sammelte die Pistole ein und stürzte ins Gebäude, von wo er die Polizei rief.
Obwohl das Geschilderte unstrittig war und auch die Pistole aus dem Besitz des Täters stammte, forderte der Staatsanwalt 6 Jahre Gefängnis wegen Totschlags. Es ist sicher nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft, in einem Fall, der wie geschaffen ist für den Notwehrparagraphen, jahrelange Haft zu fordern.
Was so eine staatliche Forderung auslöst, zeigte das Publikum. Die Obrigkeitsgläubigkeit erreichte, dass rund ein Drittel der Zuschauer die Forderung der Staatsanwaltschaft unterstützte und auch 6 Jahre Gefängnis für den Überfallenen forderten.
Auf Befragen gaben die Vertreter dieser Massnahme an, der Überfallene hätte auf die Beine schiessen sollen, er hätte sich um den am Boden liegenden kümmern müssen, er hätte höchstens ein mal schiessen dürfen etc. Dies, obwohl er die Waffe lediglich mal im Wald ausprobiert hatte und nicht mal wusste, wie gezielt wird. Für den illegalen Besitz war er schon verurteilt worden.
Interessant ist, dass kein RAF-Mitglied (die Terror-Vereinigung „Rote Armee Fraktion) jemals wegen Verstosses gegen ein Waffengesetz verurteilt wurde.
Als ein deutschstämmiger Weisser vor einigen Jahren in der New Yorker U-Bahn von Schwarzen überfallen wurde und mit einem Revolver drei davon verletzte, erhielt Charles Bronson bei ähnlichen Situationen im Film "Ein Mann sieht rot" in den USA standing Ovations. Der Überfallene wurde von einem US-Gericht freigesprochen, erhielt jedoch später in einem abgetrennten Verfahren eine Geldstrafe wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Dies führte in Deutschland zu Schlagzeilen wie "U-Bahn-Killer verurteilt"....
Nachdem doch hier fast alles geregelt ist, wäre mal zu prüfen, auf welcher Basis ein Staatsanwalt bei offensichtlicher Unschuld eine mehrjährige Gefängnisstrafe fordern kann. Laut Gericht trafen alle Bedingungen von Notwehr zu. Ist das nicht Rechtsbeugung? Schliesslich gilt auch für den Staatsanwalt, alle Mittel auszuschöpfen und nicht einseitig zu gewichten - ähnlich den Ermittlungsbehörden. Schliesslich fordert das römische Recht: "In dubio pro reo".
Die TV-Sendung war recht gut gemacht. Ein Professor für Strafrecht erklärte das Notwehrrecht und die Nothilfe ausführlich. Wie uns sicher bekannt, grenzen diese Bereiche die Abwehr auf einen unmittelbar bevorstehenden oder noch andauernden Angriff ein. Logischerweise muss dann eine Verletzung des Angreifers in Kauf genommen werden. 4/2000 GJW